Der kollegiale Kollege Strate

In diesen Tagen ist ein sehr feiner Kollege wieder einmal in Funk und Fernsehen präsent, dem ich gerne und mit großer Bewunderung diese Kolumne widmen möchte: Dem Rechtsanwalt und Verteidiger Gerhard Strate aus Hamburg, welcher in seiner Tätigkeit eine Vielzahl von „großen“Mandaten betreut hat und gerade erst die Freilassung Gustl Mollaths erwirken konnte. Die auf seiner Homepage veröffentlichten Antragsschriften sind große Anwaltskunst. Ich selbst hatte ein sehr schönes Erlebnis mit dem Kollegen Strate, dass ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

Als junger Anwalt, ich war noch in Bayern tätig, verteidigte ich einmal einen jungen Mann dem vorgeworfen wurde einige Cannabis-Pflanzen angebaut zu haben. Der Vorwurf war zutreffend, die bayerische Justiz steckte meinen Mandanten auch prompt in Untersuchungshaft und begründete dies mit einer vermeintlichen Fluchtgefahr meines Mandanten. Dies war barer Unsinn. Fluchtgefahr liegt insbesondere dann nicht vor, wenn soziale Bindungen bestehen, man kann grob sagen, je weniger der Beschuldigte durch eine Flucht zu verlieren hat und je härter die befürchtete Strafe ist, desto eher kann man an Fluchtgefahr denken.

Mein Mandant hätte im Falle einer Flucht sehr viel zu verlieren gehabt. Er war seit Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt und damit so gut wie unkündbar. Er verfügte über eine Wohnung, ging dreimal in der Woche bei Mama essen, und war aktives Mitglied in Sport und Trachtenvereinen. Abgesehen davon, dass er ab und zu gerne kiffte, führte er ein fast schon braves Leben. All dies teilte ich im Rahmen meiner Haftbeschwerden den zuständigen Gerichten mit. Die ersten beiden Instanzen interessierte dies nicht, das Oberlandesgericht München wurde dann spitzfindig. Es war der Ansicht, dass meine Ausführungen ja alle richtig seien, tatsächlich habe bei Erlass des Haftbefehls wegen der engen sozialen Einbindung meines Mandanten auch noch keine Fluchtgefahr bestanden, allerdings seien über die verschiedenen Haftbeschwerden ja mittlerweile drei Monate vergangen, so dass sich diese Bindungen in den letzten drei Monaten so gelockert hätten, dass jedenfalls nun Fluchtgefahr bestünde.

Ich war sprachlos. Die Justiz schafft sich Haftgründe dadurch, dass sie erst einmal jemanden rechtswidrig einsperrt? Allerdings war ich auch ratlos, denn ein weiteres Rechtsmittel gegen den Beschluss des OLG München gab es –mit Ausnahme des Strohhalms der Verfassungsbeschwerde- nicht. Verfassungsbeschwerden tauchen in den Medien zwar häufig auf, kaum ein Anwalt hat aber jemals eine solche verfasst, geschweige denn eine erfolgreiche. So ging es mir auch, und ich wusste nicht so recht, ob ich zu diesem Strohhalm greifen sollte, da las ich, dass der berühmte Kollege Strate gerade in der Haftsache des als Terrorhelfers beschuldigten Mounir al Motassadeq eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde durchgebracht hatte. Ich griff zum Hörer und rief einfach in der Hamburger Kanzlei des Kollegen an. Der Kollege Strate war natürlich bei Gericht, aber der sehr freundlichen Mitarbeiterin erklärte ich, dass ich als junger Strafverteidiger meine erste Verfassungsbeschwerde in einer Haftsache machen will, aber keinen rechten Anfang fände. Ich fragte einfach nach, ob ich die Verfassungsbeschwerde des Kollegen Strate der ja gerade erst Erfolg beschieden war, als Vorlage haben und verwenden dürfe. Die Mitarbeiterin meinte, sie würde Herrn Strate fragen wenn er reinkäme. Zwei Stunden später tickerte die komplette Verfassungsbeschwerde des Kollegen aus meinem Faxgerät und ich machte mich ans Werk.

Das Ergebnis großer Anwaltskunst ist letztlich stets nur bedrucktes Papier. Dass ein Kollege „sein Werk“ einem anderen, den er nicht einmal kennt, ohne jede Nachfrage und Gegenleistung zur Verfügung stellt um diesem und dessen Mandanten zu helfen ist deshalb Zeugnis großer Kollegialität. Mich hat das damals sehr beeindruckt.

Vier Tage nachdem ich die Verfassungsbeschwerde dann für meinen Mandanten eingelegt hatte, rief mich die für die Strafsache meines Mandanten zuständige Richterin vom Amtsgericht Rosenheim an, und teilte mit, dass sie ganz kurzfristig einen Verhandlungstermin Anfang nächster Woche für mich hätte. Wir müssten nur auf Ladungsfristen verzichten, in der Sache käme aber ja ohnehin nur eine Bewährung in Betracht.

Über meine Verfassungsbeschwerde musste Karlsruhe dann nicht mehr entscheiden, denn nach der Verhandlung war mein Mandant natürlich ein freier Mann.

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