Die Uhr tickt

Wenn Familienunternehmen Pleite gehen ist das für die Beteiligten immer eine traurige Angelegenheit. Zusätzlich belastend wird es immer dann, wenn neben dem Insolvenzverwalter auch noch der Staatsanwalt auf der Matte steht.

Das deutsche Strafrecht ist bei Insolvenzen streng. Wer als Unternehmer feststellt, dass sein Unternehmen zahlungsunfähig, oder überschuldet ist, hat nach den Buchstaben des Gesetzes maximal drei Wochen Zeit um eine förmliche Insolvenz beim zuständigen Gericht zu beantragen, ansonsten macht sich der Unternehmer wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Das ist natürlich bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten lächerlich wenig Zeit. Und so überrascht es auch nicht, dass nach Einschätzungen von Experten bei fast jeder Insolvenz den Buchstaben des Gesetzes nach eine solche Insolvenzverschleppung vorliegt. Man darf aber natürlich fragen, welchen Unrechtsgehalt es hat, wenn man eine solche Frist eventuell um eine oder zwei Wochen versäumt.

Insolvenzstrafrecht beschränkt sich deshalb meistens zu Recht auf die Fälle, in denen ein Unternehmer entweder die betroffene Firma erst finanziell aussaugt, um sie dann sehenden Auges vor die Wand fahren zu lassen, oder auf die Fälle, in denen der Unternehmer die Augen zumacht, seiner Verantwortung nicht gerecht wird und so aus Ignoranz oder Selbstüberschätzung wirtschaftliche Werte vernichtet. Eines war aber bisher allen Insolvenzstrafverfahren in denen ich verteidigt habe gemein: Es gab eine Insolvenz!

Eine Staatsanwaltschaft aus dem schönen Sauerland hat aber nun eine weiteres Betätigungsfeld entdeckt: Die Insolvenzverschleppung ohne Insolvenz! Die Unternehmer hatten sich eigentlich mustergültig Verhalten. Als sich die wirtschaftliche Krise des Unternehmens zuspitze, weil ein sicher geglaubtes Geschäft plötzlich platze, wandten sich die Geschäftsführer an ihren größten Gläubiger, wie so oft eine Bank und legten dort alle Karten auf den Tisch. Die Bank erklärte, man werde stillhalten. Parallel wurde ein auf Sanierungen spezialisierter Berater beauftragt, dem es tatsächlich gelang innerhalb kürzester Zeit mit den Gläubigern des Unternehmens einen Sanierungsplan zu vereinbaren. Die Unternehmer legten ihr gesamtes privates Geld und ihre gesamte Altersvorsorge in die Firmenkasse und nach vier Wochen waren alle zur Sanierung erforderlichen Unterschriften geleistet. Die Firma war nach Meinung aller kundigen Stellen (und sogar der unkundigen Staatsanwaltschaft) saniert und über den Berg, die Insolvenz war abgewendet. Doch der rührige Staatsanwalt erinnerte sich: Da lief doch eine Uhr.

Ob die Uhr, bzw. die Dreiwochenfrist abgelaufen war, muss jetzt natürlich von der Staatsanwaltschaft intensiv geprüft werden. Zu diesem Zweck werden bei der gerade sanierten Firma erst einmalHausdurchsuchungen durchgeführt und sämtliche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt. So weit so schlecht, aber ein vernünftiger Verteidiger besorgt die kurzfristig zurück.

Nun dreht die Staatsanwaltschaft aber erst richtig auf. Um zu prüfen, ob die Sanierung der Firma vielleicht nicht doch ein paar Werktage nach Ablauf der Dreiwochenfrist gelungen ist, schreibt der freundliche Herr Staatsanwalt nun sämtliche Geschäftspartner des Familienunternehmens an und weist darauf hin, dass gegen die beiden Geschäftsführer, mit denen der Adressat in (wieder) funktionierender Geschäftsbeziehung steht ja derzeit wegen Insolvenzstraftaten ermittelt werde und man mal wissen wolle, ob der Geschäftspartner hierzu etwas Sinnvolles beitragen könne. Keiner der Geschäftspartner konnte etwas Sinnvolles beitragen, nur Geschäftspartner des frisch sanierten Unternehmens wollte nach dem Anschreiben der Staatsanwaltschaft keiner mehr sein.

Und so kam es wie es kommen musste, nachdem die wirtschaftliche Krise, mit der sich die Staatsanwaltschaft befasst hatte nach Meinung aller Sachverständigen und auch der Staatsanwaltschaft überwunden war und das Unternehmen wieder vernünftig lief, erholte es sich von der offensiven Informationspolitik der Staatsanwaltschaft nicht mehr. Einige Zeit später musste diesmal wirklich Insolvenz angemeldet werden. 15 Arbeitnehmer verloren ihren Arbeitsplatz, die Geschäftsführer ihre komplette Altersvorsorge und ihr Privatvermögen, welches ansonsten nie in die Insolvenzmasse gefallen wäre und zwei unbescholtene steuerzahlende Bürger ihren Glauben an die Staatsanwaltschaft.

An früherer Stelle habe ich einmal eine Schweigepflicht nicht nur für Rechtsanwälte, sondern auch für Staatsanwälte gefordert. Wie nötig so etwas wäre, zeigen nicht nur die „Großverfahren“ gegen Prominente, die durch die Medien gehechelt werden, sondern eben auch solche Kleinverfahren außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.

Ach ja, die angebliche Insolvenzverschleppung, ohne Insolvenz soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe zur Bewährung nach sich ziehen. Eine Entschuldigung der Staatsanwaltschaft wäre nach Meinung der Verteidigung angemessener. Mal sehen was das Gericht dazu meint…

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