Die zivilisatorische Firnis

Wie schnell eine ganze Zivilisation, selbst hier in Europa ins Chaos abrutschen kann, zeigen uns die schrecklichen Geschehnisse im Osten der Ukraine. In einer Region, in welcher deutsche und europäische Fußballtouristen noch vor zweieinhalb Jahren die Europameisterschaft gefeiert haben, rollen heute Panzer und sterben Menschen in einem Bürgerkrieg.

In juristischer Hinsicht halte ich die Abschaffung der Todesstrafe für den Höhepunkt zivilisatorischen Wirkens. Die Tatsache, dass sich der Staat und seine Justiz dem Recht entsagt Menschenleben zu beenden, selbst wenn dieser Mensch schreckliche Verbrechen begangen hat ist eine Errungenschaft des Rechts, die auch und gerade Ausdruck der Erkenntnis der menschlichen Fehlbarkeit, auch derjenigen Menschen die Recht sprechen und anwenden, ist. Das menschliche Leben, auch das des Menschen, der verabscheuungswürdige Taten begangen hat, soll als absolutes Recht der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen sein.

Dass rechte Idioten mit großformatigen Autoaufklebern durch die Lande fahren, auf denen die Wiedereinführung der Todesstrafe für „Kinderschänder“ u. ä. gefordert wird ist da widerwärtig genug. Erschrecken lässt einen aber, dass nach einer Studie des deutschen Strafrechtsprofessors Franz Streng (welche schöner Name für einen Strafrechtler) knapp ein Drittel der angehenden Jurastudenten die Wiedereinführung der Todesstrafe für bestimmte Delikte befürworten würden. Genauso schockierend ist die weitere Erkenntnis aus der Studie, wonach fast 30 % der frisch an der Uni eingeschriebenen Jurastudenten in bestimmten Situationen Folter bei Beschuldigten eines Strafverfahrens für vertretbar hielten.

Tatsächlich findet sich die Todesstrafe sogar noch in einer aktuellen Landesverfassung, nämlich der des Bundeslandes Hessen. Nach Artikel 21 der Hessischen Landesverfassung kann bei schweren Verbrechen die Todesstrafe verhängt werden. Hingerichtet wird in Hessen aber nicht, da Art. 102 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die Todesstrafe verbietet und erfreulicher Weise der Grundsatz gilt: Bundesrecht bricht Landesrecht!

Nun gibt es zwar auch bei Jurastudenten einen Anteil von Bekloppten, der sicher nicht kleiner ist als bei anderen Bevölkerungsgruppen, ein so hoher Anteil bei Menschen, die später aber einmal Richter Staatsanwälte oder sonstige Rechtsanwender werden sollen, ist dann aber doch besorgniserregend. Dies umso mehr, als dass der Professor diese Studie bereits seit vielen Jahrzehnten betreibt und die Zahl der Todesstrafenbefürworter unter den Jurastudenten sich seit der ersten Befragung vor 25 Jahren verdreifacht hat.

Es ist also durchaus angezeigt, auf unsere zivilisatorische Firnis zu achten und nicht auf jeden populistischen Dreck hereinzufallen. Diese Sorge ist wohl auch Grund dafür, dass die Todesstrafe immer noch in der Hessischen Landesverfassung steht. Zur Änderung der Landesverfassung bedarf es in Hessen nämlich einer Volksabstimmung mit Zweidrittelmehrheit. Offensichtlich ist der Zeitpunkt für eine solche Bürgerbefragung gerade nicht der Richtige.

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