Goldene Zeiten im Krematorium

Mit einem „Mundraub“ der besonders makabren Art hatte sich vor einigen Tagen das Bundesarbeitsgericht zu beschäftigen.

Hintergrund des ungewöhnlichen Falls war eine Klage eines Hamburger Krematoriums gegen einen ehemaligen Mitarbeiter, der sich in acht Jahren seiner Tätigkeit Zahngold von eingeäscherten Verstorbenen im Wert von mindestens 245.000,00 EUR eingesteckt haben soll. Nachdem die Schürfmethoden des Mitarbeiters des Krematoriums bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war, forderte nun das Krematorium knapp 250.000,00 EUR vom mittlerweile fristlos entlassenen Arbeitnehmer.

Das Bundesarbeitsgericht verurteilte den Arbeitnehmer tatsächlich zur Zahlung in der eingeklagten Höhe. Die Medien berichteten hierbei, dass der Arbeitnehmer zu „Schadenersatz“ verurteilt wurde. Die Tageszeitung „Die Welt“ titelt gar: „Das Zahngold der Toten gehört dem Krematorium“. Sogar die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts berichtet über einen angeblichen Schadenersatzanspruch des Krematoriums.

Die Frage, wem das Zahngold denn nun gehört gar nicht so einfach. Zahngold im Munde eines Verstorbenen ist zunächst einmal ein fester Bestandteil der Leiche. Die Leiche aber „gehört“ niemandem. Am Körper eines Verstorbenen kann nach unserem Zivilrecht aus gutem Grund kein Eigentum erworben werden. Auch der Erbe eines Verstorbenen wird nicht im Rechtssinne „Eigentümer“ der Leiche. Die Körper von Verstorbenen sind damit das, was der Jurist als „herrenlos“ bezeichnet. Dies gilt zunächst einmal auch für das mit dem Körper des Verstorbenen fest verbundene Zahngold. Und für diesen Zustand der Herrenlosigkeit hat das BGB durchaus Regelungen parat.

Nach diesen Regelungen darf ein herrenloser Gegenstand grundsätzlich von jedermann in Besitz genommen werden. Nach Inbesitznahme wird derjenige dann in der Regel auch Eigentümer des herrenlosen Gegenstandes. Die Juristen sprechen vom „Aneignungsrecht“ an herrenlosen Gegenständen. Sollte das Vorgehen des Mitarbeiters des Krematoriums am Ende sogar rechtmäßig sein? Die Krematorien könnten sich sicher vor Bewerbungen bald nicht mehr retten! Natürlich waren die Schürfmethoden des Kremators hier illegal. Zwar war das Zahngold nach Einäscherung grundsätzlich herrenlos. Aneignen durfte er sich es trotzdem nicht. Das BGB regelt nämlich auch, dass ein Aneignungsrecht eines Dritten an herrenlosen Gegenständen ausscheidet, wenn hierdurch das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird. In den strafrechtlichen Entscheidungen zu diesen Rechtsproblemen sind die Gerichte stets von einem vorrangigen Aneignungsrecht der Erben ausgegangen, was ja auch einleuchtet. Das Zahngold von eingeäscherten Verstorbenen steht damit den Erben des Verstorbenen zu. Da herrenlose Gegenstände aber weder gestohlen, noch unterschlagen werden können, blieb auch im Strafverfahren außer dem verhältnismäßig lapidaren Vorwurf der Störung der Totenruhe nicht viel übrig.

Warum das Bundesarbeitsgericht nun dem Krematorium einen Schadenersatzanspruch zugesprochen haben soll leuchtet deshalb auf den ersten Blick nicht ein. Dem Krematoriumsbetreiber steht das Zahngold nämlich genau so wenig zu, wie seinem Arbeitnehmer. Hieran ändert auch die Vertragsklausel des Krematoriumsbetreibers im Vertrag mit den Erben nichts, mit der er sich das Zahngold einverleiben wollte. Solche Klauseln sind unwirksam, was Gerichte bereits festgestellt haben. Tatsächlich hat das BAG auch nichts dazu ausgeführt, dass das Zahngold letztlich dem Krematoriumsbetreiber zusteht, sondern lediglich ausgeurteilt, dass der Arbeitnehmer das Zahngold zunächst beim Arbeitgeber hätte abliefern müssen. Die Berichterstattung über dieses Urteil weckt nun aber den Eindruck, dass das Zahngold dem Krematoriumsbetreiber zustünde, was durch die missverständliche Formulierung der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts noch unterstützt wird.

Tatsächlich ist die Berichterstattung über juristische Themen in den Medien in der Regel von einer genauso selbstbewussten wie fröhlichen Inkompetenz geprägt. Komplexe juristische Fragen müssen auf einfache Aussagen zusammengedampft werden, welche dann eben so medial verbreitet werden, wie sie der Journalist meint verstanden zu haben. Heraus kommen dann Überschriften wie bei der „Welt“, welche genau das Gegenteil von dem aussagen, was das Gericht eigentlich entschieden hat.

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